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Eine Kultur der Lügen und Teilungen

Die Kinder aus dem Spruch „Kinder können gemein sein“ sind Erwachsen

Maren Zaidan, 15. August 2020 06:01 Uhr

Sind die meisten von uns gemeine Marktschreier?

Wer daran glaubt, dass die coolste Kleidung oder das neuste Spielzeug nur auf dem Schulhof eine Rolle spielt irrt sich. Wir leben in einer Gesellschaft in der die Wahrheit bereits längst auf dem Abstellgleis steht. Vielleicht wurde viel zu lange und viel zu oft davon ausgegangen, dass Gerüchte verbreiten und Intrigen spannen bei den meisten Menschen ein Schulhofphänomen ist, welches sich im Erwachsenenalter gibt. Doch die Klatschpresse hat scheinbar sehr viele Menschen dazu gebracht, im ganz normalen Alltag auch wirre Geschichten über die anderen erfinden und verbreiten zu wollen. Um selbst besser dazustehen, werden falsche Spiele ohne Ende gespielt. Der, bei dem das Bild nach außen am besten ist, kann innen so gemein und kaputt sein, wie es nur geht. Was zählt ist der Glanz. Wer am glaubwürdigsten, aber nicht am ehrlichsten, Geschichten erzählt und möglichst viele auf seinem Weg verletzt und zum Fall bringt, gewinnt. Andere mit kleinen, gemeinen Geschichten zu belustigen ist eine gute Eigenschaft. Wer richtig verletzt, bringt andere zum Schweigen. Wer schweigt, wird nicht mehr gehört.

In Kombination mit den kleinen, gemeinen Lügen redet man am besten davon, was für ein guter Mensch man ist. Verlangt von Anderen Besserung und Selbstreflexion und wagt es ja nicht, über sich selbst nachzudenken. Ein paar Unschuldslämmer lässt man am Leben, um nachzuweisen, dass man nicht gemein sein kann. Tuscheln, hetzen und lügen sind die Werte der heutigen Zeit. Man nimmt was man selbst bekommen kann, nur damit für die anderen weniger übrig bleibt. Es geht nicht darum, Ziele zu erreichen oder echte Kontakte zu pflegen, es geht darum gut dazustehen. Man ergattert Rollen, die man nicht ausfüllen kann und Menschen, die einem nichts bedeuten.

Zusammenhalt und Freundschaft sind Werte von gestern und uncool. Nachbarschaftlichkeit sollte nicht zur Rede kommen. Heute kämpft jeder gegen jeden. Wir leben in einem Land, in dem die Unterschiede nicht genutzt werden, sondern benutzt werden, um sich gegenseitig kaputt zu spielen! Jeder sollte sich für alles schämen, was er ist und woher er kommt. Ostdeutsche sind faul und Westdeutsche arrogant; Junge sind dämlich und Alte ekelhaft; Frauen sind tussig und Männer sexistisch, die Menschen aus der Nachbarstadt sind alle seltsam und der eigene Nachbar hat keine andere Eigenschaft, als zu nerven.

Die Wahrheit zählt in dieser Welt nicht mehr. Es ist eine endlose Show. Wir spielen alle unsere Rolle. Alles ist unterhaltsam und leider noch nicht komplett streambar. Die Menschen lieben es, andere leiden zu sehen. Hinhören, hinschauen und die Wahrheit finden zählt für die meisten weder auf der großen Bühne der Politik noch auf der privaten. Wer etwas für den anderen riskiert, würde sich selbst in Gefahr bringen, deshalb tut es kaum einer. Man möchte keinen Glitter am eigenen Kostüm verlieren.

Das ganze Spiel geht so weit, dass selbst die, die mitspielen, den Eindruck machen, als wüssten sie manchmal nicht mehr, wem sie trauen sollen. Doch sobald man selbst für einen Moment aus der Schussbahn ist, ist das Spiel so schön, dass die meisten weiterspielen. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Probleme werden nicht gelöst, da alle damit beschäftigt sind, den nächsten Menschen zu schaden.


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende der Partei DIE FÖDERALEN
Essen, den 15.08.2020