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Reden, nein Danke!

Das heutige Kommunikationsverhalten

Maren Zaidan, 9. August 2020 06:01 Uhr

Das Schweigen im Walde

Im Jahr 2019 lag die Scheidungsrate in Deutschland bei 35,79%. Je nach Altersgruppe fühlen sich 11-23% der Erwachsenen ständig oder häufig einsam. Es stellt sich die Frage, warum? Kommunikation ist entscheidend für Beziehungen jeglicher Art. Manchmal hat man jedoch das Gefühl, Kommunikation ist für viele ein tägliches Experiment!

Man kann nicht kommunizieren ist das weit bekannte Zitat von Paul Watzlawick. Wenn man die Kommunikation vieler Mitmenschen betrachtet, muss man dem ganzen Recht geben. Leider muss man erst einmal darĂĽber nachdenken, denn viele von uns glauben daran, dass man nicht kommunizieren kann. Wenn etwas nicht passt, wird einfach nicht mehr geredet. Die Kommunikation wird eingestellt. Es wird darauf gehofft, dass man Recht bekommt, weil man am besten eingeschnappt spielen kann oder alles schnell vergessen ist und man die Probleme nicht angehen muss. Getreu dem Motto: Wenn ich nicht mehr dran denk, ist es nicht mehr da!

Um dieses Experiment zu wagen, riskieren einige Mitmenschen Arbeitsverhältnisse, Vereine, Parteien, Freunde, Familie und Liebesbeziehungen. Natürlich ist es anstrengend und nervenaufreibend, möglicherweise über Stunden oder Tage zu diskutieren oder möglicherweise zu streiten. Wer streitet, geht auch die Gefahr ein, den anderen zu verletzen oder womöglich selbst Dinge gesagt zu bekommen, die man nicht hören möchte. Eventuell muss man sogar Dinge einsehen und einen Schritt auf den anderen zugehen. Auch Streitigkeiten enden nicht immer mit einer Einigung oder endgültigen Frieden, aber man hat probiert auf einen Nenner zu kommen, Lösungen oder Kompromisse zu finden. Im Gegensatz dazu muss man sich fragen, was ein einem selbst und dem anderen bringt, wenn man keinen Meinungsaustausch betreibt und es vielleicht nicht einmal dazu kommen lässt, dass der oder die anderen den Standpunkt hören. Erstens ist es leicht verstörend, wenn Menschen plötzlich aus dem Gesprächskreis verschwinden. Zweitens kann die Gegenseite bei dieser Herangehensweise sich nicht nur nicht verteidigen, sondern auch nicht einmal einsehen, dass sie falsch lag.

Gut, nun kann man sagen, dass sich die Gegenseite doch lange Gedanken machen kann und sich den Kopf über die eigene Handlungsweise zerbrechen soll. Menschen sind jedoch nicht in der Lage, Gedanken zu lesen oder mit Sicherheit auf das zu kommen, was in anderen vorgeht. Der Wunsch, dass man den anderen mit einem solchen Verhalten erpressen kann, ist irrational. Druck erzeugt Gegendruck. Schweigen wirkt bestrafend, aber kein Mensch möchte wegen seiner Meinung bestraft werden. Es folgt die Gegenstrafe. Denn in einem Konflikt auf Augenhöhe ist keiner erziehungsberechtigt.

Probleme sind leider keine kleinen Monster, die sich irgendwann langweilen und weglaufen. Es geht nach einer Zeit des Schweigens nicht friedlich weiter. Auch Schweigen verletzt, eben nur auf eine andere Art. Fachliche Auseinandersetzungen lösen sich auch nicht, indem man einfach aneinander vorbeiarbeitet oder gar nicht mehr. Wer Streitigkeiten mit Kommunikationsabbruch löst, setzt den Konflikten kein Ende, sondern sorgt dafür, dass beide Seiten innerlich weiter verärgert sind und die nächsten Auseinandersetzungen alles wiederaufleben lässt. Wer dann wieder schweigt, landet in einer Spirale, in ein graues Tal. Am Ende gibt es keine friedliche Lösung mehr. Und weil man all diese ungelösten Konflikte in seinem Leben hat, wird man selbst immer frustrierter, wütender und trauriger. Wer es zu weit treibt, bekommt die Strafe in Form einer Depression.

Statt nicht mehr zu reden, empfehlen Kommunikationsexperten zu versuchen, den anderen zu verstehen, sich klar auszudrĂĽcken, viele Fragen zu stellen, nur ĂĽber das eigentliche Thema zu diskutieren und einfach mit Beispielen und Bildern zu sprechen. NatĂĽrlich kann es helfen, eine Runde vor die TĂĽr zu gehen, wenn gerade alles am Explodieren ist. Zehnmal durchatmen ist immer besser als losschreien oder sogar losschlagen. Doch dann heiĂźt es wiederkommen und weiterreden.


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende der Partei DIE FĂ–DERALEN
Essen, den 09.08.2020



Quellen:

  • https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76211/umfrage/scheidungsquote-von-1960-bis-2008/
  • https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1014929/umfrage/umfrage-in-deutschland-zur-haeufigkeit-von-einsamkeit-nach-alter/