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Der heutige Lifestyle - Teil 1: Unachtsam Achtsamkeit leben

Von einer sinnvollen Sache für den Einzelnen zum Modetrend

Maren Zaidan, 26. Juli 2020 14:50 Uhr

Für alle dasselbe?

Was wäre unsere heutige Gesellschaft ohne Trends? In dem einen Jahr backen wir alle Brot, im nächsten kann niemand ohne Macha Tee leben, mal steht jeder auf Nordic Walking und im anderen Jahr geht nichts ohne Pilates. In den letzten Jahren wurde Achtsamkeit das große Thema.

Achtsamkeitsübungen machen, wie viele Trends, Sinn und sind keines Falls an sich schlecht zu reden. Sie stammen ursprünglich aus dem Buddhismus und wurden auch in der westlichen Welt im Bereich der Psychotherapie übernommen. Wer zum Grübeln neigt, über gewisse Gedanken nicht hinwegkommt, unter Stress und Unruhe leidet kann mit entsprechenden Achtsamkeitsübungen mehr Ruhe, Wohlbefinden, mehr Leistungsfähigkeit, Konzentration und eine fokussierte Wahrnehmung erreichen.

Wie so oft gibt es ein EIGENTLICH und ein ABER. Leider.

Wie schon gesagt, Achtsamkeit und Achtsamkeitsübungen sind alt und nicht besonders umstritten. In den letzten Jahren wurde daraus jedoch ein kommerzieller Trend gemacht. Früher bestanden Achtsamkeitsübungen oft bereits darin, bewusst für ein paar Tage mit dem ungewohnten Fuß zuerst aufzustehen, beim Bürsten die Bürste in der anderen Hand als sonst zu halten oder die Schuhe mit einer anderen Schleife als gewohnt zu binden. Heute muss man sich solche Tipps nicht mehr suchen. Nein, man gehe in den Buchladen oder einfach in den nächsten Supermarkt und greife einfach mal blind auf den Wühltisch! Spätestens nach dem fünften Versuch hat man meist ein Erwachsenenmalbuch zur Förderung der Achtsamkeit in der Hand.

Das ist sehr schön, könnte man meinen. Nur leider ist es so wie mit dem Pilates und dem Nordic Walking. Es gibt Menschen, die es richtig machen und es gibt Menschen, die es irgendwie machen. Irgendwie machen hat meist zwei Resultate – es bringt nichts oder hat sogar negative Konsequenzen. So wird etwas Gutes zu etwas Sinnlosem oder Schädlichem. Bei Achtsamkeitsübungen in der heutigen Zeit ist dies besonders gut vorzustellen. Viele Menschen begehen auch die Trends wie alles in ihrem Leben. Schnell, zwischendurch und in Gedanken bei etwas ganz anderem!

Zudem stellt sich mir die Frage, warum gewisse Probleme in unserer Gesellschaft sehr gern verallgemeinert werden. Ich habe Schwächen und Eigenschaften an denen ich mit Sicherheit arbeiten muss. Ich bin mir sehr sicher, auch du hast noch zu bearbeitende Mängel. Und nun wette ich bei den meisten meiner Leser, dass deine Schwächen andere sind als meine oder die des anderen Lesers. Nicht wahr? Es gibt Menschen, die bereits eine hohe Achtsamkeit besitzen. Menschen, die sich selbst, ihre Handlungen und ihre Umwelt bereits sehr bewusst wahrnehmen. Manche sogar in einem Maß, welches auch schon wieder zu einem Problem für sie selbst wird, aber das ist ein anderes Thema.

Anders gesagt, warum fangen wir nicht alle ab morgen an, Genusstraining zu machen? Ein Stück Schokolade am Tag und das dafür 5 Minuten lang im Mund schmelzen lassen, an einer Blume im Garten riechen und den Duft durch uns strömen lassen? Warum fangen wir nicht alle ab morgen an, Atemübungen zu machen? Gut für die Stimme, Entspannung, Brustkorb und Wirbelsäule? Die Antwort lautet im Moment, weil manche von uns es gerade nicht brauchen, es gerade wichtigere Ziele gibt. Aber ich bin gespannt, was Sie sagen, wenn ich es schaffe es ab morgen früh zum Trend zu machen. Wollen wir wetten?


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende der Partei DIE FÖDERALEN
Essen, den 26.07.2020