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Wo sind all die Helden hin?

Von alltäglichen Helden und wenig Heldentum

Maren Zaidan, 19. Juli 2020 05:57 Uhr

Wir alle sind manchmal Helden

In den letzten Wochen habe ich oft davon gehört, dass viele Menschen nur helfen oder etwas tun, wenn sie selbst in Gefahr geraten. Wenn ein Problem einen Menschen oder eine Gruppe von Menschen nicht betrifft, helfen sie also nicht. Menschen, die bereits geschwächt sind, können sich jedoch schwerer selbst helfen. Dieses Weltbild macht ziemlich traurig oder? Was bringt uns also dazu zu helfen? Was ist wahres Heldentum und wie schaffen wir mehr Alltagshelden? Ich bin einmal auf die Suche nach Antworten gegangen:

Wenn man jemanden hilft ohne eigene Vorteile daraus zu gewinnen, sich eventuell sogar selbst in Gefahr bringt oder Nachteile davon trägt und alles nur macht, um einen anderen etwas Gutes zu tun, nennt man das Altruismus. Ganz rational betrachtet scheint es also eine ziemlich dumme Entscheidung zu sein, altruistisch zu handeln. Was ist wenn man dabei wirklich etwas verliert? Das Ansehen? Geld? Gesundheit? Vielleicht sogar das eigene Leben?

Es wird davon ausgegangen, dass wir unseren Blutsverwandten eher helfen als anderen. Wir wollen unsere Gene erhalten und in die zukünftigen Generationen tragen. Dafür schützen wir nicht nur das eigene Kind, sondern auch das des Cousins, schließlich hat auch dieses noch ein paar Gene mit uns gemeinsam. Und weil wir auch unabhängig von den eigenen Genen nicht gern allein sind, helfen wir auch unseren Freunden eher als den Fremden.

Ein anderer Faktor ist selbst am Altruismus, so wenig egoistisch er oben in der Erklärung auch wirkt, egoistisch. Wir helfen anderen in der heimlichen, meist unbewussten Erwartung, dass diese uns später helfen. Manchmal klappt das nicht, aber meist geben Menschen bekanntlich mehr zurück als sie bekommen haben. In einer kleinen Versteckten Schublade in unserem Kopf liegt ein dickes Buch indem wir Notizen darüber führen, wen wir wie oft geholfen haben und wer uns wie oft geholfen hat. Und natürlich auch von wem wir etwas zurückbekommen haben und wem wir noch etwas schulden!

Bereits wenige Tage alte Säuglinge haben Mitleid, wenn ein anderer Säugling weint. Sie weinen mit. Das Gefühl einen anderen leiden zu sehen, fühlt sich nicht gut an und wir mögen es alle nicht uns schlecht zu fühlen. Es hilft uns selbst dem anderen zu helfen. Wenn die Hilfe erfolgreich ist, fühlen wir uns selbst auch besser. Wir müssen niemanden mehr leiden sehen. Am Ende kommen manche Sozialpsychologen zum Schluss, dass Menschen immer die Kosten und Nutzen abwägen. Wenn man selbst zu viel riskiert, hilft man nicht. Andere sagen wiederum, wir würden manchmal einfach aus Empathie helfen. Wir können uns in andere hineinversetzen und zeigen, dann wirklich Altruismus.

Zuletzt ist es eine soziale Norm anderen zu helfen. Es wird erwartet und wurde uns anerzogen. Im Kindergarten hilft man den Teddy des besten Freundes aus den Fängen des gemeinen Kindes zu befreien. Später ziehen wir einander aus dem Fluss. Selbst unsere Tagesperformance hat Einfluss. Manchmal fühlen wir uns so gut, dass wir unseren Idealen noch näher kommen möchten und anderen helfen. Manchmal geht es uns selbst so schlecht, dass wir anderen Helfen, um über uns selbst gut denken zu können.

Gibt es Helden? Ja. Ich gratuliere, wahrscheinlich sind auch Sie ein Held. Wir alle werden wahrscheinlich in bestimmten Situationen bestimmten Menschen helfen. Aber nein, niemand von uns ist ein ständiger Held und niemand von und wird nie helfen. Auf dem Land hilft man eher als in der Stadt und das nicht weil man ein arroganter Städter ist, sondern weil auch das Landei in der Stadt reiz-überflutet ist und nicht mehr so gut merkt, wann zu helfen ist. Männer werden eher in die Strömung springen, um jemanden zu retten als Frauen. Auf weniger gefährliche Weise, aber dafür langanhaltender helfen eher Frauen. Sie würden zumeist eher eine schwer erkrankte Person monate- oder jahrelang pflegen.

Was können wir aus all dem schlussfolgern? Ja, in einer gewissen weise sind auch, die die dieses traurige Weltbild haben, wahrscheinlich nicht für jeden und nicht immer der große Held. Die, die gerade nicht dort helfen, wo wir es uns wünschen, sind nicht unbedingt egoistisch. Vielleicht würden sie uns in einer anderen Situation das Leben retten! Vielleicht sind wir alle für irgendjemanden manchmal der Held und manchmal ziemlich rücksichtslos. Vielleicht schützt uns die Natur davor alles zu verlieren und alles zu riskieren. Man sagt, bevor man jemanden lieben kann, muss man sich selbst lieben. Wir sollten mehr daran denken, dass man manchmal auch nur andere retten kann, wenn man sich erst mal selbst gerettet hat. In einer Welt mit unzählbaren Informationsmöglichkeiten, Kontaktmöglichkeiten und Problemen verliert man leicht den Überblick. Trotzdem sollten wir nicht vergessen, ab und zu wieder mehr an die anderen zu denken. Das beginnt schon bei der alten Frau im Supermarkt, die nicht an das Möhrenglas kommt.



Maren Zaidan
Bundesvorsitzende der Partei DIE FÖDERALEN
Essen, den 19.07.2020