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Kein Halt

Warum Frauen den Osten verlassen und Männer bleiben

Maren Zaidan, 19. Juni 2022 14:00 Uhr

Die Grenze ist noch da

Immer wieder kommt die Frage auf, was junge Frauen in Ostdeutschland halten würde? Mir persönlich stellt sich daraus zuerst die Frage, was die jungen Männer zuhause hält. Doch über diese Frage kann ich nur rätseln.

Ich habe es auch erlebt. Die Mädchen gingen in größerer Zahl als die Jungen.

Also was hätte uns gehalten? Was würde uns zurückbringen?

Ich liebe das alte Zuhause für alles, was es hier nicht gibt. Ich schätze heute vieles von was ich damals weggerannt bin. Zurückkommen würde ich, wenn meine alte Heimat nicht so vernachlässigt werden würde, dass man für den Gedanken endgültig nach Hause zu kommen nicht mehr von allen Seiten rote Fragezeichen entgegengebracht bekäme. Ostdeutschland wurde vergessen. Die Stadt, in der ich ein Kind war, wurde während meiner Kindheit und Jugend in einem beängstigenden Maß abgebaut.

Und das ist der Grund, weshalb wir auch gegangen sind. Der Abbau hat bis heute nicht aufgehört. Es wurde auch Ersatz geschaffen, aber nicht im ausreichendem Maß. Ich habe zugesehen wie die Geschäfte schlossen und die Häuser abgerissen wurden. Ich habe den Anfang der Schulschließungen miterlebt und dafür demonstriert, dass die Jahrgänge nach mir nicht zwischen Schulgeld und Schulbus oder Eltern-Taxi wählen müssen. Es hat nichts gebracht. Für die Jahrgänge nach mir waren auch einige unserer Spielsplätze nicht mehr da und die alten Schulen zu Privatschulen geworden oder ganz weg.

Ein anderer Faktor ist das Bild des Ostens in Westdeutschland. Ich bin müde davon anders gerechnet zu werden. Ich bin müde von all den beleidigenden Images. Warum müssen wir überhaupt noch darüber reden? Ist es nicht Geschichte? Warum fördern selbst Bundespolitiker diese Images? (Wozu gesagt werden muss, nein, es ist nicht alles Geschichte. An den Unterschieden gibt es aber auch Dinge, die im Osten besser sind oder Geschmackssache sind. Darauf legen die Medien jedoch keinen Wert.)

Ich weiß nicht, warum die jungen Männer bleiben. Ich habe auch das Gefühl, dass sie dran glaubten, die Mädchen von damals würden wieder kommen, die Fernbeziehung würde halten und dieser Glaube in jedem Jahrgang herrscht. Leider prägt die Ausbildungszeit und die Uni ist der größte Heiratsmarkt. Irgendwann hat man eine zweite Heimat, auch wenn die erste einen festen Platz im Herzen hat. Der andere Grund ist das Image der Technischen Universitäten, die Industriegeschichte. Trotz allen Wandels in den Berufsbildern, ziehen diese Faktoren Männer mehr an oder halten sie als Frauen. Und was nützt die Geschichte, wenn das jetzt von Abbau geprägt ist?

Was Frauen im Osten halten würde? Eine Beendigung des Abbaus von allem was dort existiert hat oder noch existiert.


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN