Themen > Politik

Intersektionalität

Bitte ordnen Sie sich den aufgezählten Opferklassen zu!

Maren Zaidan, 29. Januar 2021 13:00 Uhr

Menschen haben viele Merkmale. Viele Merkmale machen einem zum potenziellen Opfer von Diskriminierung.

Intersektionalität ist die Überschneidung verschiedener Diskriminierungsmerkmale in einer Person. Eine Person könnte demnach aufgrund ihres Geschlechts, der sexuellen Orientierung, einer vorhandenen Behinderung und der Ethnie diskriminiert werden. In der Theorie wird davon ausgegangen, dass sich Merkmale eines Menschen, die ihn zum Opfer von Diskriminierung machen können, nicht aufaddieren, sondern ein Zusammenspiel bilden und Wechselwirkungen haben. Die Theorie geht davon aus, dass jeder Mensch mehrere Identitäten hat.

Beispielsweise haben sich viele Frauen von den Anfängen des Feminismus ausgeschlossen gefühlt. Der ursprüngliche Feminismus wurde als Bewegung von bürgerlichen, weißen, heterosexuellen Frauen gesehen. In der Folge dieser Wahrnehmung oder Beschränkung auf gewisse Ziele fühlten sich zum Beispiel lesbische Frauen nicht vertreten.

Einerseits hebt die Berücksichtigung verschiedener Merkmale eines Menschen die Einzigartigkeit hervor und macht auf Kombinationsprobleme von Merkmalen aufmerksam. Da ein Mensch, zum Beispiel für zwei Merkmale diskriminiert wird und sich mit keiner Gruppe identifizieren kann, weil beide Gruppen ihn aufgrund des jeweils anderen Merkmals ausschließen. Andererseits führt der Begriff auch zu weiteren Problemen.

Es wird beobachtet, dass die Theorie der Intersektionalität Menschen dazu bringt möglichst viele Merkmale an sich zu betonen, die deutlich machen, dass sie Opfer von Diskriminerung sind. Es könnte nicht mehr die Frage sein, wie stark jemand ausgeschlossen wird, sondern wer die meisten “diskriminierungswürdigen” Merkmale besitzt. In einer Gesellschaft in der Menschen zum Großteil täglich in den Sozialen Netzwerken posten, um Lob oder Mitleid zu erhalten und an der Anonymität vieler Orte leiden, vielleicht kein abwegiger Gedanke.

Einhergehend mit der starken Überlegung, wer für wie viele Merkmale, wie stark diskriminiert wird, befürchten manche Kritiker auch eine Dichotomisierung der Gesellschaft in Täter und Opfer. Viele der zu diskriminierenden Merkmale sind angeboren und unverschuldet. Somit ist es auch unverschuldet, zu keiner (?) oder wenigen Opfergruppen zu gehören. In der aktuellen Situation stelle ich mir dabei persönlich jedoch die Frage, ob es auf dieser Welt einen einzigen Menschen gibt, der sich nicht aufgrund von mindestens einem Merkmal als Opfer fühlen könnte. Man denke nur an die Männerbewegung, die sich von den Feministen diskriminiert fühlt oder die britische Linkshänder-Bewegung, die sich mit dem Slogan You have a right to be left! von den Rechtshändern diskriminiert fühlt.

Intersektionalität zeigt meiner Meinung nach auf, dass Menschen leider nicht dazu bereit sind, einfach mal gemeinsam etwas zu erreichen oder den anderen so zu akzeptieren, wie er ist. Der Begriff sollte aufzeigen, dass Menschen unter Kombinationen von Merkmalen leiden. In der Realität spalten sich die Menschen in unendlich viele kleine Gruppen und sehen nur die Unterschiede zwischen sich. Menschen einer Ethnie halten nicht zusammen, weil die einzelnen Mitglieder sich wiederum gegenseitig für gewisse andere Merkmale diskriminieren bzw. ausgeschlossen fühlen. Es bilden sich zum Teil künstliche Kombinationen von Zusammenschlüssen, die dann Probleme haben noch ein gemeinsames Problem zu finden. Menschen müssen sich gegen Menschen, die auch etwas mit ihnen gemeinsam haben, stellen, um in wenigstens einer Gruppe Halt zu finden.

Nicht nur in der Theorie der Intersektionalität wird davon ausgegangen, dass Menschen aufgrund ihrer verschiedenen Rollen in verschiedenen Situationen oder im Zusammenspiel mit verschiedenen Menschen, verschiedenes Verhalten zeigen bzw. sozusagen verschiedene Identitäten haben. Tochter, Schwester, Cousine, Enkelin, beste Freundin, Kollegin, Bekannte, Ehefrau, Mutter, Vereinsmitglied. Mensch mit derselben Herkunft, denselben gesundheitlichen Problemen, demselben Geschlecht, demselben Sozialstatus, gleichaltrig. Es wäre sehr merkwürdig und von den meisten Menschen nicht gewollt, wenn wir uns in all unseren Rollen gleich verhalten. Die Kombination unserer Stärken und Schwächen macht uns einzigartig. Die Punkte für die jeder von uns an manchen Stellen im Leben schlecht behandelt wird, machen uns wahrscheinlich verständnisvoller für die Probleme anderer. Wer sich über jede Sorge eines anderen hinwegsetzen kann und nichts zu kritisieren hat, muss wahrscheinlich entweder sehr gleichgültig oder im ganzen Leben mit viel Glück belohnt worden sein.

Dass es an vielen Stellen nur noch um Diskriminierung und das herausstellen von Opferrollen geht, zeigen die neusten Trends. Menschen, die falsche Merkmale vorgeben, um einen besseren Status in der Gesellschaft zu erhalten. Wie das geht? Ideen, wie positive Diskriminierung sind gut gemeint, können sich aber auch schnell umkehren. Gesunde Menschen, die sich bleibende Schäden, die größer als Narben sind zufügen, um ein wenig Aufmerksamkeit für das restliche Leben zu erhalten.

Trotz aller Bedenken möchte ich die Idee hinter Intersektionalität nicht komplett schlecht reden. Echte Gleichberechtigung ist wichtig. Rücksichtnahme und das Entgegenarbeiten gegen Diskriminierung aller Art sind wichtig und wertvoll. Aus allen positiven und negativen Aspekten der Idee sollten wir mitnehmen, dass es keine zwei Menschen mit exakt denselben Problemen und Vorteilen gibt. Wir können uns endlos in Teile zerlegen, bis wir alle ganz allein sind. Wir können uns alle aufgrund unserer einzigartigen Merkmalskombinationen furchtbar unverstanden fühlen. Wir können aber auch für einige Momente im Leben an den denken, was uns mit manchen Menschen verbindet und überlegen, wie wir besser behandelt werden könnten und wie wir andere besser behandeln können ohne uns als Opfer zu feiern.


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN