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Privilegiertenrechte

Meine neue 2- bis 4-Klassen-Gesellschaft

Maren Zaidan, 22. Januar 2021 11:00 Uhr

Das Grundgesetz gilt bislang fĂĽr alle.

Was die Anti-Corona Bewegung seit letztem Frühjahr kritisierte, ist nun auch in der breiten Bevölkerung angekommen. Es kann nicht sein, dass unsere Grundrechte grundlos ausgehebelt werden. An der Debatte für die Grundrechte gibt es jedoch wieder mal zwei Seiten.

Liest, hört und schaut man seit ca. Dezember die meisten halb-kritischen Berichte über den Entzug der Grundrechte in Deutschland, stellt man fest, dass die meisten Journalisten keinesfalls die Grundrechte für alle schnellstmöglich wieder einführen wollen. Die Impfstoffe gegen das Coronavirus sind zugelassen worden und somit verkündet man nun stolz Wege, wie man geimpfte privilegieren möchte. Wir führen im Jahr 2021 also eine ganz neue, innovative Form der 2-Klassen-Gesellschaft ein. Wobei man kurz nach der neuen Lockdown-Verlängerung auch endlich mal realisiert hat, dass OP- und FFP2-Masken mit der Zeit teurer werden als die bisherigen Community-Masken und manche Teile der Bevölkerung nun ein Finanzierungsproblem beim Einkaufen haben. Aber auch an dieser Stelle scheint der Konsens zu sein, dass Hartz4-Empfänger nicht unbedingt Lebensmittel kaufen müssen oder mit dem Bus in die nächste Stadt fahren müssen.

Geimpfte sollen durch den neuen, noch zu entwickelnden europäischen Impfpass wieder überall hinreisen dürfen, sich frei treffen können und alles, was in der alten Realität möglich war, machen können. Nicht-geimpfte, scheinbar auch egal aus welchem Grund sie nicht geimpft sind, sollten hingegen weiter in ihren Grundrechten eingeschränkt bleiben. Immer wieder fällt das Wort Privilegien.

Ich bleibe bei dem neuen Gedankengut immer wieder an dem Wort Grundrechte stecken. Bisher habe ich immer geglaubt Grundrechte würden für alle Menschen in diesem Staat gelten. Unabhängig davon wie privilegiert der ein oder andere ist. Das Wort Privileg hatte für mich auch viele Bedeutungen, von ganz kleinen Privilegien des Alltags bis zu Statussymbolen und Sonderrechten. Heute fing ich mich an zu fragen, ob wir vom Dudenverlag eine Änderung der Wortdefinitionen erbitten sollten oder einfach die Grundrechte in Privilegiertenrechte und das Grundgesetz in Privilegiertengesetz umbenennen sollten. Natürlich müsste dann wahrscheinlich auch an dem ein oder anderem Gesetzestext noch etwas Fantasie im Sinne der heutigen Zeit eingebracht werden.

Wenn ich all die Stellungnahmen lese, die sich offen und stolz dazu bekennen, Teile der Bevölkerung zu diskriminieren, stellt sich für mich die Frage, ob die entsprechenden Akteure wissen über wen sie schreiben? Ist Ihnen klar, wer die Anti-Corona-Bewegungs-Teilnehmer, Menschen, die sich nicht impfen lassen können und Menschen mit geringem Einkommen, sind? Es klingt für mich sehr banal und kindisch, aber falls Sie es wirklich vergessen haben: Wir sind ihre Kinder, Geschwistern, Eltern, Verwandte, Freunde, Bekannte, Nachbarn und Kollegen. Hätten Sie uns bis vor ein paar Monaten vom normalen Leben ausschließen wollen? Wenn Ihre Antwort jetzt Nein! lautet, egal ob dahinter ein aber kommt oder nicht, überdenken Sie bitte noch einmal den Weg, den wir gerade einschlagen.

Scheinbar möchten sehr viele Menschen in diesem Land ihr altes Leben zurück. Dann lassen Sie uns bitte daran arbeiten, das alte Leben mit all seinen Vorzügen für jeden zurückzubekommen. Eine Spaltung der Gesellschaft ist nie die Lösung gewesen.


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FĂ–DERALEN