Themen > Kultur

Nichts passiert

... außer der Corona-Virus

Maren Zaidan, 29. April 2021 06:00 Uhr

Nachrichten in Hülle und Fülle

Der Chefredakteur bestimmt, was wichtig auf der Welt ist. Wenn es nur noch wenige Medienkonzerne gibt und man um Kosten zu sparen alles zusammenschaltet, entscheiden also sehr wenige Köpfe, was heute wichtig ist. Corona ist seit einem Jahr wichtig und nichts anderes. Wirklich?

Ich zweifel seit Monaten beim Nachrichten lesen und hören an meiner Fähigkeit Botschaften aufzunehmen und zu verarbeiten. Ich lese und höre überall nur noch Corona. Corona und das Gesundheitssystem, die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Schule, die Politiker, die Umwelt, andere Erkrankungen, … Inzwischen lese ich alle Titel zweimal. Zwischen den Nachrichten über Corona finde ich fast nur Nachrichten über Ereignisse, die keine Nachricht wert sind und Nachrichten, die sich um etwas anderes drehen, aber dann doch wieder einen starken Bezug zum Virus haben.

Nebenbei wird der Angriff auf den Föderalismus von letzter Woche heruntergespielt. Plötzlich werden die Länder in den meisten Artikeln erwähnt. Es wird das Mitspracherecht der Länder und ihre Eigenverantwortung betont. Alles, als wäre nichts passiert. Es macht sogar fast den Eindruck der Föderalismus wäre gestärkt wurden.

Dass die Nachrichtenauslese zu bestimmten Zeiten sehr eingeschränkt ist und dies auch genutzt wird, um unliebsame Entscheidungen durchzubringen, ist bekannt. Wenn dieser Zustand sich jedoch nun über ein Jahr hinzieht, wird es unangenehm. Aber vielleicht ist es auch nicht nur die Nachrichtenauslese, vielleicht ist die weltweite Politik so eingeengt, dass alles andere inzwischen einfach an den Virus gebunden ist. Auch dieser Schluss ist beängstigend. Und ich bin der Überzeugung, dass beides der Fall ist. Zum Föderalismus: Bitte, hören Sie auf die aktuelle Politik zu verzerren und die Menschen über das, was sie in der letzten Woche gelesen haben, zu verunsichern! Die Menschen müssen wissen was passiert und sich ihre Meinung bilden können. Wenn die Bevölkerung die aktuellen Vorgänge für richtig hält, wird es keinen Widerspruch geben. Wenn die Bevölkerung jedoch die Entscheidungen der Regierung für fragwürdig hält, muss ein Diskurs begonnen und zugelassen werden.

Beim Schreiben dieses Textes drängt sich mir noch eine Frage auf: Ich werde gelangweilt und verunsichert von den Nachrichten. Genau in dieser Reihenfolge. Ich lese jeden Tag dasselbe. Mein Gehirn denkt inzwischen während des lesens über die nächste Aufgabe nach, wodurch ich an meiner Konzentration zweifel und nochmal gelangweilt lese. Kommt es soweit, dass ich irgendwann keinen Sinn im Konsum von Nachrichten mehr sehe? Wenn es soweit kommt, bekomme ich noch weniger von dem aktuellen geschehen mit. Wenn es soweit kommt, dass ich meine Nachrichten nur noch von Bekannten und YouTubern aus meiner Blase beziehe, entsteht noch mehr Spaltung und noch mehr Blindheit.

Vor ein paar Jahren lass ich ein Interview von einer sich politisch engagierten Person. Diese erzählte stolz, sich selbst nicht mit Politik zu beschäftigen oder darüber direkt zu informieren. Sie lässt sich von anderen Menschen erzählen, was deren Meinung ist und tritt dass aufgrund des eigenen gesellschaftlichen Status und der Reichweite für diese Meinungen ein. Ist es das wohin wir möchten? Ich fand dieses Interview sehr verstörend.

Unsere Welt ist vielfältig und bunt. Wir hatten immer Viren. Wir müssen lernen wieder damit zu leben. Das Leben wird zu einseitig, wenn sich alles nur noch um einen Virus dreht. Bei der Vogelgrippe sagte jemand, die Vogelgrippe ist vorbei, wenn sie den Medien zu langweilig geworden ist. Mir ist langweilig! Euch auch?


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN