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Indirekte Zensur

Eine Zensur ist nicht mehr nötig, wenn man einfach die Kommunikationskanäle sperrt

Maren Zaidan, 13. Januar 2021 09:00 Uhr

Das verdreht Ende der klassischen Zensur

Vor ein paar Monaten habe ich einen Kommentar über Cancel Culture und Political Correctness geschrieben. Inzwischen sollen wir einwilligen, dass unsere WhatsApp-Daten mit den Daten von Facebook zusammenfallen, genutzt und verkauft werden können. Das Soziale Netzwerk Parler wurde zuerst aus den App-Stores geschmissen und nun von den AWS-Servern gebannt. Parler ist nicht mehr erreichbar. Die Silicon Valley Unternehmen machen es schon seit Jahren jedem schwer, der eine abweichende, unerwünschte Meinung vertritt. Viele sind auf die Alternativen ausgewichen oder haben sie für den Fall der Fälle - der Löschung des Accounts - zusätzlich im Einsatz (gehabt).

Die komplette Verbannung von Parler wird damit begründet, dass auch politische Extreme auf der Plattform aktiv waren. Auch wir sind der Meinung, dass man natürlich aufpassen muss mit wem man am Küchentisch sitzt, doch Parler ist ein Soziales Netzwerk, keine Partei oder gesellschaftliche Organisation. Sollte ich Luft verbieten, weil sie Schall und damit Unwahrheiten überträgt?

Wo fängt die Grenze des Nicht-Reden-Dürfens an? Die Gesetzgebung der meisten Staaten schützt uns vor gewalttätigen und verfassungswidrigen Inhalten. Die neuen Grenzen beginnen eher. Die Regierungen dieser Welt schränken unsere Rechte unverhältnismäßig zur Situation ein. Früher wurden Bücher und alles andere an damals sogenannter entarteter Kunst verbrannt oder von den Eliten heimlich in ihren Villen versteckt. Wir leben in einer Welt voller Kontaktsperren, Ausgangssperren, Einreisebeschränkungen, Beherbergungs-Verboten. In der USA werden bereits wieder Bücher verbrannt. Selbst die guten, alten Flugblätter haben in diesen Zeiten ihre Beschränkungen. Es ist traurig, aber wie sollen differenzierte Meinungen ausgetauscht werden, wenn nicht über das Internet? Trägt es zur freien Meinungsbildung bei, wenn man immer nur ein kleines Spektrum an Meinungen hören kann?

Ich frage mich inzwischen, ob die Meinungsbeschränkungen, die Menschen wirklich davor schützen sich Extremen anzuschließen oder ob sie naiv machen? Wie soll ich abwägen, wem ich vertrauen kann, wer schädliche Ansichten vertritt, wenn ich nicht einmal mit diesen Ansichten und Menschen konfrontiert werden kann. Ist es nicht ein Versagen des Bildungssystems, wenn der Staat und die Medienkonzerne ihren Bürgern und Mitmenschen scheinbar nicht mehr zutrauen, selbst abzuwägen, wann man besser wegklickt und wann man jemanden unterstützt? Und wenn es ein Versagen des Bildungssystems ist, warum kürzt man die Bildung der heutigen Kinder- und Jugendlichen noch mehr ein als bisher schon?

Die Nachfrage reguliert den Markt. Wenn die Nachfrage nach alternativen Kommunikationswegen so groß ist, dass sich die etablierten Anbieter und die Regierungen dieser Welt bedroht fühlen, wird es nicht Zeit darüber nachzudenken, warum so viele Menschen der Meinung sind, dass sie sich über die herkömmlichen Kanäle nicht mehr austauschen können?

Ja, auch die Bewegung gegen die Corona-Maßnahmen ist bunt gemischt. Nicht alle haben im allgemeinen dieselben Ansichten. Aber diese bunte Mischung über alle Altersklassen, Bildungsschichten, Berufsgruppen, sozialen Schichten und kulturellen Hintergründen müsste doch zeigen, dass wir längst nicht mehr unter Problemen einer kleinen Minderheit leiden. Ich gebe den Mainstream-Medien sogar recht. Man sollte aufpassen mit wem man demonstriert. Man muss aber auch darüber nachdenken, was extrem unterschiedliche Menschen, die früher auf unterschiedlichen Seiten standen dazu gebracht hat, zusammenzuhalten - wenigstens in einem Ziel.

Ganze Kommunikationsplattformen und -Kanäle zu bannen, spart Geld. Es spart den Zensor, den Edding, es spart die Algorithmen und die Nerven der Mitarbeiter, die täglich schlimme Inhalte einzeln prüfen und sperren müssen. Es ist jedoch keine Lösung. Dieser Weg macht nicht Mundtot, er bringt die Menschen nur dazu noch skeptischer zu werden.


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN