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Die Woche der Meinungsfreiheit

Diese Woche gehört abgeschafft

Maren Zaidan, 4. Mai 2021 11:30 Uhr

Es ist die Woche der Meinungsfreiheit.

DIE FÖDERALEN fordern, dass diese Woche abgeschafft wird! Sie sollte nicht stattfinden! Wir sollten sie gar nicht leben! In der nächsten Woche sollten wir uns nur an die Woche zuvor erinnern können, nicht an diese!

Es ist Woche der Meinungsfreiheit und die Meinungsfreiheit liegt im Koma. Nachdem wir alle von klein auf gelernt bekommen haben, wie wichtig sie ist und sehr viele Generationen um sie kämpften, wurde sie einfach erschlagen. Hatte einen schweren Unfall und fiel ins Koma. Weltweit kämpfen nun die unterschiedlichsten Gruppen darum, dass die Meinungsfreiheit wieder aufwacht und ohne Spätfolgen weiterleben kann. Wir sitzen an ihrem Krankenbett und weinen um sie. Wir werden niemals die lebenserhaltenden Maßnahmen einstellen. Sie bedeutet uns alles. Wir haben es schon oft in der Geschichte geschafft sie wieder aufzuwecken. Unsere gute Freundin hat leider schon viele Feinde gehabt.

Meinungsfreiheit ist wichtig. Das sagen alle. Doch die Pflege der Meinungsfreiheit fühlt sich an, als wäre die gesamte Gesellschaft ein Borderline-Patient. Weltweit. Wie kam es nur soweit? Die Menschen können verletzen, aber keinen Kratzer wegstecken. Die großen renommierten Medien sortieren ihre Künstler und Journalisten aus, ziehen die Farbe aus den Bildern und schneiden friedliche Szenen zu Schlachtfeldern zusammen. Die modernen Medien sperren Kanäle und Meinungsäußerungen schneller als manch einer tippen kann. Die Freunde und Verwandten verschließen die Türen oder wechseln das Thema, sobald keine hundertprozentige Übereinstimmung herrscht. Es ist nicht mehr enttäuschend, sondern ein Kompliment gesperrt zu werden. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall ist es sehr irritierend für den Kampf für die Meinungsfreiheit und die Demokratie seine Accounts eingeschränkt zu bekommen. Gruppierungen drängen sich selbst in eine Ecke und wundern sich dann über die Meinungen der anderen über sie. Manchen ist alles egal geworden. Sie reden vollkommen unbedacht und reißen andere mit in den Abgrund. Es wäre ja eh alles egal.

Nichts ist egal!

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat eine Charta der Meinungsfreiheit herausgegeben. Ein Werk dem ich nach meinem Grundverständnis von Meinungsfreiheit und Menschlichkeit gar nicht besonders kritisch gegenüberstehen würde, wenn meine Realität nicht eine andere wäre. Nehmen wir die 11 Punkte einfach auseinander:

1. Meinungsfreiheit ist ein universelles Menschenrecht und als solches nicht verhandelbar. Jeder Mensch hat das Recht, die Meinungsfreiheit für sich in Anspruch zu nehmen.
Verhandelbar scheint in diesen Tagen alles zu sein. Selbst unsere Grundrechte. Warum müssen Menschen, die einfach nur ein wenig von der Massenmeinung abweichen, von den Massenmedien zensiert werden?

2. Die Meinungsfreiheit beinhaltet das Recht auf Information, die Pressefreiheit sowie die Freiheit des Publizierens und der Berichterstattung.
Richtig, nur warum verlieren dann kritische Journalisten ihre Jobs? Warum wurde es kleinen Bloggern immer schwerer gemacht, zu berichten und zu referenzieren?

3. Meinungsfreiheit ist die Grundvoraussetzung für eine freie, vielfältige und demokratische Gesellschaft. Die Meinung aller Bürger:innen trägt zum Meinungsbildungsprozess in einer Gesellschaft bei und sichert damit erst die Souveränität des Volkes in einer Demokratie.
Um diesen Prozess in Gang zu bringen, darf niemand nach seiner Meinung die Meinungen der anderen aussortieren. Dies passiert jedoch im Moment überall.

4. Meinungsfreiheit verpflichtet zu einem Umgang, der von gegenseitigem Respekt, Zuhören, Ausredenlassen, Reflexion und argumentativem Abwägen geprägt ist.
Verschiedene Gruppierungen werden inzwischen durch Beleidigungen und Herabwürdigung anderer groß. Die Regierungen und die Medien fördern dies zum Teil. Zuhören und Ausreden lassen haben die meisten Menschen nach generationenlangen Erziehungsexperimenten verlernt. Respektlosigkeit ist der neue Respekt!

5. Hetze und Hass werden nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern beschädigen sie. Die Meinungsfreiheit endet da, wo die Würde eines Menschen angegriffen wird.
Im Gegensatz zu anderen Kritiken an der Charta, sehe ich hierin das Hauptproblem, weshalb Meinungsfreiheit in der Gesellschaft auch EInflüsse von Regierungen und Medien nicht mehr funktioniert.

6. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, frei von Kritik zu sein. Kritik ist der Beginn einer inhaltlichen Auseinandersetzung und somit wichtiger Bestandteil des Meinungsbildungsprozesses.
Dafür muss Kritik auch zugelassen werden. Dies sehe ich nirgendwo mehr. Die Menschen haben zudem verlernt, mit Kritik umzugehen.

7. Meinungsfreiheit erfordert eine Debattenkultur, für die sowohl der Staat wie auch die Zivilgesellschaft eine Verantwortung tragen.
Die offene Debattenkultur wird unterdrückt. Die Untergruppen der Gesellschaft lernen daraus oder machen aus Frust dasselbe. Auf diese Art und Weise entstehen Extreme.

8. Jede Einschränkung der Meinungsfreiheit durch staatliche Gewalt ist ein untrügliches Zeichen der Abkehr von einer freien, vielfältigen und demokratischen Gesellschaft, berechtigt zum Widerstand und verpflichtet zur Solidarität.
Was ist mit all den verbotenen Demonstrationen? Was ist mit den Auflagen, die demonstrieren schwer machen? Was ist mit den Pandemie-Maßnahmen, die Meinungsaustausch schwer machen?

9. Demokratische Staaten tragen insbesondere die Verantwortung, in ihrer Außen- und Wirtschaftspolitik darauf hinzuwirken, dass Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung unterbleiben.
Nur was ist, wenn man langsam Zweifel daran bekommt, wie demokratisch, die demokratischen Staaten noch sein möchten? Wann findet die Woche der Demokratie statt?

10. Gewaltausübung gegen Andersdenkende durch physische und psychische Einschüchterung, Drohung und finanzielle Druckmittel ist unzulässig.
Bitte schauen Sie verschiedene YouTube-Videos. Betrachten Sie verschiedene Meinungen, soweit dies geht und bilden Sie sich selbst ihr Urteil. Ausschluss von unliebsamen Meinungen erzeugt Angst. Wir sind soziale Wesen. Unseren gesellschaftlichen Status zu riskieren macht uns Angst.

11. Die Zivilgesellschaft trägt die Verantwortung, für die Meinungsfreiheit einzutreten, Einschränkungen der Meinungsfreiheit kenntlich zu machen und ihnen wirksam entgegenzutreten.
Dann bitte lassen Sie die Zivilgesellschaft dafür auch die Verantwortung tragen. Die Zivilgesellschaft wurde entmündigt.

Wie gesagt, die Charta ist in der Theorie eigentlich ganz gut. Es scheitert an der Umsetzung. Bitte, verzeihen Sie, ich möchte der Meinungsfreiheit einen Krankenbesuch abstatten. Sie ist eine wirklich gute Freundin.


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN



Quelle: https://www.woche-der-meinungsfreiheit.de/charta-der-meinungsfreiheit