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Der gewollte Bruch

Ein Essay über eine Gesellschaft, die Zwiespalt für Anstand hält

Maren Zaidan, 24. Februar 2021 12:00 Uhr

Eine Meinungsverschiedenheit als Abbruch jeglicher Beziehungen.

Vor fast genau einem Jahr passierte etwas ganz persönliches für mich, etwas mit dem viele Pläne für das letzte Jahr verbunden waren. Durch die aktuelle Situation, die auch vor ca. einem Jahr ihre ersten Anzeichen setzte, reflektiere ich die Pläne für das vergangene Jahr und die Realität sehr deutlich. Ich erzähle grob meine Geschichte, doch es ist in Wahrheit nicht nur meine.

In Wirklichkeit passierte vor etwas weniger als einem Jahr etwas sehr ungewöhnliches. Ich traf auf Menschen, die keine Lust mehr auf die falschen Beziehungen in ihrem Leben hatten. Die Menschen, auf die ich traf, vertraten dieselben Ansichten in Bezug auf das aktuelle Krisenmanagement der Regierung wie ich. Sie hatten realisiert, dass ihre wahren Freunde wieder mal weg waren sobald sie eine falsche Äußerung machten. Wir wussten nicht was im Laufe des Jahres passiert, aber egal was, man nahm sich vor einen besseren Umgang miteinander zu haben und sich egal was passiert in einem Jahr noch zu kennen. Man verbrachte zum Teil viel Zeit miteinander. Man war sich damals auch klar, dass man nur mit Zusammenhalt etwas erreichen kann. Wir waren schon wenig genug.

Nach fast einem Jahr in dieser Situation bekomme ich nun erklärt, dass Zusammenhalt, um etwas zu erreichen und das Bilden von Freundschaften sehr naive und kindische Vorstellungen wären. Manche Wegbegleiter gingen irgendwo verloren und ich kann nicht einmal erklären warum. Es scheint als wäre es erwachsen und gesund sich von allem zu trennen und jedem misstrauen.

Dieselben Menschen, die vor einem Jahr den Wunsch nach ehrlichen Kontakten hatten, vertreten nun die Meinung, dass man sich nicht lange kennt. Die kleinsten Unterschiede oder ein falsches Wort sollten alles zu Bruch gehen lassen.

Egal was wir jemals erreichen möchten, egal wer “wir” bei diesem Ziel sind, ich glaube nicht mehr an die Drei-Monate-Wegwerfkontakte. Die Begründungen für dieses Verhalten sind nicht erwachsen und nicht modern. Auf diese Weise kann niemand etwas erreichen. Sind wir stolz darauf jeden zu missachten, den wir in der ersten Zeit sympathisch fanden? Ist es erwachsen immer das schlechteste von allen anzunehmen und an jedes Gerücht zu glauben? Warum sind wir zu stolz darauf zuzugebem, dass wir uns über den anderen geirrt haben?

Ich gebe zu das alles ist kein neues Phänomen. Aber es wird auch nichts besser, wenn wir dieses Phänomen auch bei dem millionsten Kontaktabbruch mit dem vorherigen Kontaktabbrüchen rechtfertigen. Facebook und Co. haben es uns sehr leicht gemacht Kontakte abzubrechen, aber ich glaube nicht einmal die Entwickler der Buttons Freundschaft beenden und Blockieren wollten, dass diese so genutzt werden, wie sie heute genutzt werden. Es waren die Nutzer, die einen Daumen nach unten wünschten, die Entwickler, die sich eine Weile dagegen streubten und die Nutzer, die es nun lieben keine Kompromisse mehr zu finden.

Wenn Sie noch weniger erreichen wollen und noch mehr Social Distancing leben möchten, überlegen Sie schnell, welche zehn Kontakte in der letzten Woche ein falsches Wort gesagt haben.


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN