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Hoffnungsschimmer

Was wir aus dieser Zeit lernen können

Maren Zaidan, 23. August 2020 21:58 Uhr

Einer für alle, alle für einen

In den letzten Monaten hat sich die Welt stark geändert. Vieles was früher normal und Alltag war geht inzwischen nicht mehr oder nur eingeschränkt. Doch den Umständen sind auch positive Dinge entwachsen. Aus der Situation hat sich unter anderem eine Freiheits- und Friedensbewegung gebildet. Ein lieber Bekannter, den ich durch diese Bewegung kennengelernt habe, meinte, im Moment bräuchte jeder dank der Umstände eine dicke Umarmung – in mancher Beziehung ist dies glücklicherweise bereits geschehen.

Manchmal entsteht aus der Not etwas Gutes. Ich möchte nicht behaupten, dass wir heute in einer besseren Welt leben; die Welt in der wir momentan leben ist sehr beängstigend. Doch die Einschränkungen im Leben haben vielen Menschen klar gemacht, was ihnen wichtig im Leben ist.

Aufgrund von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder schlechter Auftragslage, haben viele angefangen, etwas weniger materialistisch und egoistisch zu denken. (Drohende) Armut ist für niemanden gut, jedoch ist auch die Welt, in der so manch einer Dinge kaufte, die er nach dem Kauf nie wieder angeschaut hat, keine Welt auf die wir stolz sein können. Egal ob es die Designerklamotten oder das günstige Teil vom Discounter ist, nichts sollte für den Mülleimer produziert sein.

Die vorhandenen und drohenden Gefahren haben Menschen überall etwas sozialer und solidarischer werden lassen. Menschen fingen an, sich gegenseitig zu helfen oder fremden Menschen mehr durch Spenden zu helfen. Die Bevölkerung ist auf traurige Weise etwas mehr zusammengerückt. Für den einen hießen die letzten Monate etwas weniger, aber immer noch genug um zu helfen. Für die anderen waren und sind diese Monate ein Existenzkampf geworden. Im Endeffekt sind Menschen aus verschiedenen Klassen mehr zusammengerückt, um sich mit dem, was sie haben zu unterstützen – manchmal in Form von Spenden, manchmal in Form von Tätigkeiten. Teilweise hört man davon, dass Menschen nun anfangen, sich aktiv mehr um andere zu kümmern, angefangen bei dem alten Mann von Nebenan über die alleinerziehende Mutter bis hin zu Hilfe für Menschen, die wirklich in Not geraten sind.

Die Masken machen unsere Welt leider etwas unpersönlicher. Mimik, eigentlich ein Zeichen von dem wir ablesen, was der andere denkt und wem wir vertrauen können, ist nun schwerer zu lesen. Nicht jedes Lächeln und nicht jede Enttäuschung hat gleich Auswirkungen auf die Augen. Aber es hat sich eine Bewegung gebildet, die eigentlich zum Protest entstand. Eine Bewegung in der, vielleicht auch durch die soziale Isolation und die Masken, ein Blick auf die Fehler im sozialen Miteinander geworfen wird. Hier haben sich Menschen wie in jeder Gruppe gefunden, die, wenn sie sich anderswo kennengelernt hätten, so oder so Freunde geworden wären, aber es wurden auch Grenzen überwunden. Man fand sich aus demselben Anlass und war plötzlich mit Menschen aller sozialen Klassen, Lebensstile, Bildungsschichten und Altersgruppen zusammen. Menschen, die bei früheren Begegnungen fast die Straßenseite gewechselt haben, standen plötzlich zusammen auf Demonstrationen, gingen zusammen zu den Spaziergängen und trafen sich zwischendurch. Inzwischen gibt es in der Bewegung, meines Eindrucks nach, alles von ungleichen, guten Bekannten bis sehr ungleichen Freunden.

Diese Entwicklung ist gut. Sie sorgt für mehr Verständnis untereinander. Das Zusammenkommen von sehr verschiedenen Menschen sorgt auch dafür, dass Vorurteile überwunden werden und Wissen, was nicht breit verteilt ist seinen Weg in mehr Köpfe findet. Die bewussten oder unbewussten Versuche, die verschiedenen Kontakte wieder auseinanderzureißen, führten bei vielen auch dazu, einmal selbst darüber nachzudenken, wie man über andere redet oder mit ihnen umgeht. Ob die Streitereien über Kleinigkeiten wirklich nötig sind nach den sozialen Verzichten, die wir erlebt haben und immer noch erleben.

Mein nächster Punkt, den ich als sehr positiv für die Geschichte dieses Landes erlebe, ist dass die Menschen in Ost- und Westdeutschland angefangen haben, sich auf positive Art miteinander zu vergleichen. Es werden nicht mehr so sehr die negativen Seiten des anderen Landteiles gesehen, sondern von beiden Seiten hört man plötzlich vermehrt, was die anderen besser machen. Auch über die Bundesländer hinweg findet ein Austausch über die verschiedenen Maßnahmen und Wege statt. Man beschäftigt sich insgesamt wieder mehr damit, warum es Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt, nicht mehr so sehr mit Konkurrenzdenken.

Wir leben in einer Welt der Bewegungsarmut. Dank lange geschlossener Freizeit- und Kultureinrichtungen gibt es einerseits das bewegungseinschränkende Lebenskonzept: einfach noch mehr Computerspiele zu spielen, andererseits haben manche Leute tatsächlich Freizeitaktivitäten an der frischen Luft wiederentdeckt!

Jetzt müssen wir hoffen, dass wir die vorhandenen Probleme dieser Tage so schnell wie möglich lösen und die positiven Entwicklungen in einer noch breiteren Masse tragen und nicht wieder vergessen. Vielleich hilft genau diese gefundene Herzlichkeit auch jenen, die aktuell ganz andere Ängste haben als diejenigen, die Teil der Bewegung sind.


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende der Partei DIE FÖDERALEN
Essen, den 23.08.2020