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Flu

Grippeähnliche Zustände

Stefan Brackmann, 25. April 2023 12:30 Uhr

Tipps überall und Bildung bei Null.

Da finde ich doch heute tatsächlich in meinem Postkorb eine Nachricht vom Handelsblatt- Finance-Briefing (Warum muss alles eigentlich hochtrabend mit Anglizismen versehen werden?) einen Kurzartikel zum Thema: Der Markt für Finanz-Influencer boomt. Das hat mich auf mehreren Ebenen angesprochen und führt nun dazu, dass es diese Kurzinformation gibt.

Als langjähriger Mitwirkender im Finanzwesen war mir schon lange eines klar: Die finanzielle Bildung in unserem Land entspricht in keiner Weise den Erfordernissen, die für einen Arbeitnehmer ausreichend sind. Kaum ein Absolvent unserer Bildungseinrichtungen kann seine erste Gehaltsabrechnung verstehen, die erste Steuererklärung erscheint vielen als eine Hürde, die man eher vermeidet.

Mein Ziel war immer, jungen Leuten finanzielle Bildung zu ermöglichen, Nachwuchskräfte so zu fördern, dass sie die Sorgen und Ziele der Kunden wahr- und ernstnimmt. Doch der Unterschied zwischen den Zielen eines Finanzinstitutes und den Erfordernissen eines Kunden wurde immer größer. Hier könnte der Text noch unendlich fortgesetzt werden und auch in der Verurteilung der Branche enden. Doch das ist nicht beabsichtigt. Es soll nur die große Diskrepanz aufgezeigt werden, die zwischen dem Wissen der Anleger und der Berater liegt.

Das wichtigste Kriterium bei Anlageentscheidungen ist immer die Abschätzung des Risikos. Dieser Begriff ist sehr dehnbar und für jeden einzelnen unterschiedlich in der Bedeutung. Was aber immer gilt ist, dass es keine risikolose (Über-)Rendite geben kann!

Durch viele Verfehlungen einzelner Institute und spätestens seit der Finanzkrise 2008 ist das Verhältnis Kunde / Bank noch weiter in Mitleidenschaft geraten. Waren es zwischenzeitlich viele Aussteiger, die durch Firmen- oder Fondsgründungen privates Kapital anzogen, hat sich der Schwerpunkt der Finanzberatung weiter verlagert. Denn auch diese Neugründungen unterliegen den starken und notwendigen gesetzlichen Vorschriften.

Dies gilt jedoch nicht für Personen, die im Plauderton zunächst einmal die Finanzinstitute schlecht darstellen. Hier musste man den Eindruck gewinnen, dass es wichtig war, dies immer markanter oder lauter zu tun. Ein eventuell geschriebenes Buch oder einen Ratgeber gab es vielfach auch. Irgendwie musste man Geld verdienen, denn eine Finanzberatung dürfen solche Personenkreise nun mal nicht durchführen!

Aber das ist vielen insbesondere jungen Leuten wohl egal. Sie vertrauen vielfach der scheinbaren Expertise dieser als Influencer bezeichneten Selbstdarsteller. Können diese doch die wildesten Themen und scheinbaren Erfolge als allgemeingültig darstellen. Wenn man in zwei Minuten eine fundierte Beratung erwartet, ist in meinen Augen das Bildungsniveau in finanzieller Hinsicht tatsächlich auf TikTock-Standard gesunken. Da nützen auch die längsten Disclaimer im Nachspann oder Begleittext nichts.

Doch das Phänomen der Influencer (Beeinflusser; Anstecker oder was?) gibt es nicht nur im Finanzbereich und schlägt seit einiger Zeit riesige Wellen. Da kommt dann schon mal die Frage auf, ob es sich hierbei um einen ernstzunehmenden Beruf handelt. Ist er doch so gut wie keinen Regularien ausgesetzt.

Wer Hilfe benötigt, in welchen Bereichen auch immer, sollte fachlichen Rat einholen und sich nicht mit Internet-Angeboten, erst recht nicht auf Tik-Tok-Niveau, abgeben. Die eigene Gesundheit, das eigene finanzielle Wohlergehen sollte es jedem Wert sein. Mögen die Protagonisten der heutigen Zeit noch so smart daherkommen.

Und im Bildungsbereich ist der größte Hebel anzusetzen, um uns gegen solche grippeähnlichen Entwicklungen zu wappnen.


Stefan Brackmann
Bundesvorsitzender
DIE FÖDERALEN