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Findet die richtigen Fragen

Stefan Brackmann, 23. Juli 2020 19:45 Uhr

Es gibt immer wieder vereinzelt Reaktionen auf meine Texte. Sie zeugen meist von Zustimmung, da ich hier versuche allgemeinverständlich einige Sachverhalte in kurzen Aussagen zu vermitteln. Ebenso rege ich zum Nachdenken an, stelle Fragen und lasse die Antworten offen. Gestern jedoch passierten viele Dinge. In einigen Foren wurde das Thema Ernährung aufgegriffen, was ich persönlich schon einmal gut finde. Viele beklagten ihre eigene Situation und die üblichen Entschuldigungen machten die Runde. Persönlich wurde mir unterstellt, dass ich die Dicken verunglimpfen würde und andere Probleme wie Rauchen oder Alkohol außen vor lassen würde.

Daraufhin habe ich mir meinen Text selbst noch einmal intensiv und kritisch betrachtet. Ich kann darin keinen Hinweis finden, dass ich eine Personengruppe in irgendeine Ecke gestellt und mit dem Finger auf sie gezeigt habe. In meinem Bekanntenkreis befinden sich viele Menschen mit diesem Problem. Ich achte und respektiere sie wie jeden anderen auch. Ich habe aber auch ein Gefühl der Verantwortung und sehe, wie sie in den medizinischen Abwärtsstrudel geraten. Hier ein Medikament gegen Bluthochdruck, dort eines gegen Cholesterin. Beides Mittel, die als sogenannte Blockbuster Milliarden in die Kassen der Pharmakonzerne leiten.

Dabei sind die festgelegten Grenzwerte fĂĽr Bluthochdruck und insbesondere bei Cholesterin als teilweise fragwĂĽrdig zu bezeichnen. Hier einmal eine kurze Zusammenfassung:

Die Zielvorgabe ist in vielen formalen Punkten kritikwürdig und kann nach unserer Einschätzung allenfalls als interessengeleitetes Positionspapier einer industrienahen Fachgesellschaft bezeichnet werden.

Es wird auf handwerkliche Fehler bei der DurchfĂĽhrung der Studien hingewiesen, die neuen Grenzwerte sind auch nur mit neuen, noch teureren Medikamenten zu erreichen. Der beste Satz jedoch: As low as possible scheint nicht nur fĂĽr das LDL-Cholesterin zu gelten, sondern auch fĂĽr das Evidenzniveau der Leitlinie. Komisch, woran erinnert mich das?

Hier wird auf Kosten von Millionen Menschen eine Medizin vorangetrieben, die

  • dem betroffenen Menschen evtl. mehr schadet als hilft
  • zu weiteren Kostensteigerungen im Gesundheitssystem fĂĽhrt
  • die Ursachen der Erkrankung nicht beseitigt, sondern deren Auswirkungen mildern sollen
  • ein unheilvolles Miteinander der Lebensmittel- und Pharmaindustrie verfestigt

Dabei geht es auch anders. Das fängt wieder mit der Selbstbestimmung an. Eine Einsicht, für sich selbst zu handeln und nicht immer alles auf andere abzuschieben. Diese Erkenntnis ist sehr schwer und meist schmerzhaft und verlangt Wissen. Beginnen sollte man aber, es hilft. Und wenn es nur der erste Schritt ist. Vielleicht werden da ja mehr draus, ein Marathon muss es ja nicht unbedingt sein.

Ein wichtiger Aspekt am Rande: Unser Kommunikationsmodell scheint auch erkrankt zu sein! Wenn ich zum Beispiel sage: Ich finde deinen Schreibstil suboptimal. dann passiert es oft, dass mein Gegenüber sich beleidigt zurückzieht oder sogar den Angriff bevorzugt. Wäre eine Frage da nicht hilfreicher? Welche, das überlasse ich dem Leser.


Stefan Brackmann
stellvertretender Bundesgeschäftsführer
DIE FĂ–DERALEN



Quelle: Arzneimittelbrief