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Schwärmen

...oder doch nur Träumen?

Stefan Brackmann, 13. Juli 2020 14:58 Uhr

In letzter Zeit kommen Begriffe wieder an die Oberfläche, die ich schon längst wieder aufgegeben hatte. Zu diesen neuen, alten Worten gehört: Schwarmintelligenz.

Warum alt? Weil bereits Aristoteles sich darauf berief, dass die Summe individueller Fähigkeiten eine übergeordnete, kollektive Weisheit ergebe.

Bei Experimenten, in denen eine größere Anzahl an Menschen Schätzungen vornehmen sollten, funktionierte das sehr gut. Ein Beispiel: Auf einer Nutztiershow sollte das Gewicht eines Bullen erraten werden. Bei fast 800 teilnehmenden Besuchern war der Mittelwert der Schätzungen ziemlich genau am tatsächlichen Gewicht. Es gab natürlich Ausreißer, sowohl nach oben als auch nach unten. Herr Gauß lässt grüßen.

Ähnliche Experimente kann man durchführen mit Behältern, die mit kleinen Kugeln oder Münzen gefüllt sind, hier kommt man bei ausreichender Anzahl an Schätzungen wohl auch nahe dem tatsächlichen Wert der darin enthaltenen Objekte.

Daraus ist ein Wissenschaftszweig entstanden, der das Thema in mehreren Bereichen einsetzt und umfangreich testet, hier insbesondere in der Informationstechnologie als auch in der Didaktik. Die Wissensplattform Wikipedia wird auch gerne als eindrucksvoller Beleg für Schwarmintelligenz angesehen.

Steigen wir jedoch tiefer in die Materie ein, kommen auch Zweifel auf. Bei Schwärmen denken wir überwiegend ans Tierreich. Fischschwärme, Vogel- oder Insektenschwärme können gemeinsam Dinge erreichen, die wir mit staunenden Augen betrachten.

Auf den Menschen bezogen gibt es jedoch auch Fehltritte beim Einsatz der Schwarmintelligenz. Besonders hervorzuheben ist z. B. das Scheitern von mehreren Investmentfonds, die unter dem Begriff Social Trading aufgelegt wurden und nach der Finanzkrise 2008 als Allheilmittel galten. Viele dieser Fonds wurden mittlerweile wieder geschlossen aufgrund einer unterdurchschnittlichen Entwicklung.

Was ist passiert: Anders als im Tierreich, hat der Mensch immer den Drang es besser oder richtiger machen zu wollen. Liegen bereits einzelne Investmententscheidungen vor, wird der Mensch von einem sogenannten Vertrauenseffekt heimgesucht. Die Diversität der Schätzungen sank, aber die Überzeugung, richtig zu liegen stieg an. Man ist überzeugter, richtig zu liegen, wenn andere das Gleiche tun. Daher kommt es an den Börsen immer wieder zu sogenannten Blasenbildungen.

Grundlage eines Börsenerfolges ist es also, dass alle Börsenteilnehmer voneinander unabhängig entscheiden. Da jedem bereits Informationen vorliegen (diese sind ja auch schon durch ein menschliches Hirn gegangen!) ist das nicht möglich. Hier ist der feine Grat, den man beachten muss: Die menschliche Natur entspricht weniger dem Schwarmverhalten, die folgt dem Herdentrieb. Das ist die wichtigste Erkenntnis und der Unterschied zwischen Schwarmintelligenz und Massendummheit!

Unter diesen Umständen kann man sich vorstellen, was sich gerade abspielt.

Die Intelligenz verliert!


Stefan Brackmann
stellvertretender Bundesgeschäftsführer
DIE FÖDERALEN



Quelle: Wikipedia / DHBW Ravensburg