In vielen europäischen Ländern ist Parteienwerbung in den Massenmedien nur eingeschränkt möglich. Diese Gesetze wurden eingeführt, um die politische Macht nicht vom Geld der Partei abhängig zu machen. Es besteht die Befürchtung, dass die Partei mit dem meisten Geld die Wahlen gewinnt. Diese Argumentation ist richtig und nachvollziehbar. Im Moment geht es darum, politische Werbung transparenter zu machen und deutlich als diese zu kennzeichnen. Somit möchte man auch Desinformationen verringern.
Diese Begründung ist ebenfalls nachvollziehbar und gerechtfertigt. Andererseits stellt sich die Frage, ob Werbekampagnen nicht immer in einem finanziellen Rahmen liegen, welcher nur von den großen Parteien finanzierbar ist und diese damit immer wieder einen klaren Vorteil haben.
Durch politische Enttäuschung, soziale und wirtschaftliche Probleme haben sich viele Bürger immer weiter von der Politik entfremdet oder haben sich noch nie für Politik interessiert. Vielen scheint Politik zu weit weg von ihrem alltäglichen Leben zu sein. Andere haben zu oft erlebt, dass die politische Werbung das Gegenteil von dem später Umgesetzten versprochen hat. Die Hürde, sich mit einer Partei so stark zu identifizieren, dass man ihr beitritt, scheitert natürlich noch öfter. Ob Stammwähler gut für ein Land sind, ist eine andere Frage. Ist es gut, wenn Menschen eine Partei eher aus Gewohnheit und Grundvertrauen wählen, ohne zu schauen, ob diese Partei im Moment die richtigen Ziele hat?
Damit sind wir beim ersten Argument für politische Werbung. Könnte man den Menschen mit einer freieren Vorstellung von Parteien nicht besser zeigen, wer für was steht und um was es überhaupt gibt? Die Argumentation, dass dann fragwürdige Parteien auch an Werbefläche gewinnen, ist eine Bestrafung und Vorverurteilung aller Parteien, die noch nicht groß sind, sich aber nicht in politischen Extremen bewegen.
Da Politik nicht mehr attraktiv ist, haben alle Parteien Nachwuchsprobleme. Solange Parteien jedoch nicht zeigen können, dass Politik doch etwas mit dem realen Leben zu tun hat, politische Arbeit oder zumindest politisches Interesse auch interessante und soziale Seiten hat, werden weniger junge Menschen den Weg in Parteien finden.
Auf Plattformen mit politischen Diskussionen ist in den meisten Fällen das Bekenntnis zu einer Partei verboten. Durch Social Media Richtlinien ist oftmals sogar der Rahmen, in dem auch nur hypothetisch diskutiert werden darf, eingeschränkt. Wie man an den Umbrüchen bei Twitter sieht, hat dies häufig nur etwas mit Unternehmenspolitik zu tun - einmal fühlt sich / ist die eine Seite ausgeschlossen, mal die andere, aber in ein Gespräch können beide so nicht mehr kommen.
Wie man an unserem Gründungsauslöser sieht, ist dies auch immer abhängig vom aktuellen Zeitgeist. Was vor ein paar Monaten nicht offen vor Bekannten ausgesprochen werden durfte, darf jetzt als großer Aufreger offen in der Zeitung erscheinen. Die Erkenntnis, dass es unterschiedliche Standpunkte gibt und man sich am Ende oft irgendwo in der Mitte trifft oder eine Seite eingestehen muss, sich geirrt zu haben, ist in den letzten Jahren leider nicht mehr salonfähig. Damit geht aber auch die politische Meinungsbildung und die Möglichkeit Menschen für Politik zu begeistern, verloren.
In anderen Kreisen wird alles von einer oder zwei Parteien angenommen. Häufig können die Umsetzenden selbst nicht mehr erklären, warum sie den einen zulassen und den anderen nicht. Es wird eine künstiche Moral auferlegt, die keinen Sinn ergibt, außer dass die oberen Kreise der jeweiligen Gruppierung selbst gewisse Zugehörigkeiten haben und die meisten anderen gehorchen. Auch hier herrscht ein Monopol. Eine Sache wird künstlich groß gemacht und umso größer es ist, desto mehr Menschen werden angezogen. Wenn diese Sache einen Haken hat, ist nichts anderes bekannt und die Hoffnung verloren - selbst wenn da noch etwas wäre.
Wie man in den letzten Jahren speziell auf der Plattform Telegram sieht, bürgern sich dann auch Tricks ein. Die Nennung von Parteien - und erst recht die Werbung für diese ist nicht erlaubt (natürlich erst, wenn die eine Sache bekannt genug ist und Werbung nicht mehr nötig hat). Es ist aber vollkommen erlaubt, mit Erkennungszeichen und entsprechenden Nicknames zu arbeiten. Dass diese ebenso eine Wirkung haben, wird ignoriert.
Da das Werben und Finden von Mitgliedern so erschwert ist, arbeiten einige Parteien mit Scheinheiligkeit. Man kontaktiert andere für eine Zusammenarbeit, aber in Wirklichkeit erhofft man sich, die Mitglieder der anderen abzuwerben. Die wenigen offen politisch Interessierten sind heiß begehrt. Sie fühlen sich teilweise als Spielball und wurden bereits mehrfach enttäuscht. Manche stehen nun erst einmal an der Außenlinie und beobachten das Geschehen. Selbst interessierte und engagierte Menschen gehen so - hoffentlich nur vorübergehend
Die Gesetzeslage zu politischer Werbung ist nachvollziehbar. Es gibt aber viele Plattformen, auf denen politische Meinungsbildung das Ziel ist. Künstliches gegenseitiges Ausbremsen und Verbote sorgen unserer Meinung nach nur für noch mehr Starre und Handlungsunfähigkeit.
Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN
Quelle: https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/12/13/transparency-and-targeting-of-political-advertising-council-agrees-its-negotiating-mandate/