Vor mehr als einem Jahr hörte ich aus den US-Amerikanischen Medien von Aktivisten, die Denkmäler zerstören wollen bzw. den Abriss der Denkmäler forderten. Wie immer lächelten die Deutschen über diese vollkommen überdrehten Amerikaner. So etwas würde hier nie passieren! Die Europäer sind eben doch vernünftiger!
Rückblick: Vor langer Zeit sagte mir ein Amerikaner, wir sollten als Europäer auf unser Europa stolz sein und nicht immer die Fehler der Amerikaner nachmachen. In den USA ist auch nicht alles gut.
Aber die Europäer nehmen sich die Amerikaner immer noch als Vorbild. Nicht nur in Hamburg, sondern auch in anderen Städten hat man nun auch hier den Sinn und Zweck von Denkmälern vergessen. Man hat vergessen, dass jeder Mensch mit ein wenig Förderung und Bildung sein eigenes Gehirn benutzen kann. Die Bismarckdenkmäler und bald wahrscheinlich viele andere müssen jetzt kontextualisiert werden. Es müssen Aktionen stattfinden, um den Menschen die dunklen und fragwürdigen Teile der Geschichte klar zu machen. Einige denken, wie in der USA, über den Abriss von solchen Denkmälern nach.
Bismarck-Denkmäler sind in Deutschland wahrscheinlich der beste Ausgangspunkt, um über Denkmäler zu streiten. Sie stehen überall.
Haben wir in all den Jahrzehnten mit Bismarck-Denkmälern ohne spezielle Kontextualisierung blind die Geschichte gefeiert? Nein. Bisher wurde Kindern an Denkmälern etwas über die Geschichte erklärt. An umstrittenen Denkmälern, wie dem Karl-Marx-Monument in Chemnitz wurde erklärt, warum sich die Menschen darum streiten, ob man dieses Denkmal erhalten sollte, abreißen oder einlagern sollte. Zum richtigen Zeitpunkt im Geschichtsunterricht hat dann jeder die ganze Geschichte gelernt. Man hat gelernt selbst alles einzuordnen. Man sollte es gelernt haben.
Ich persönlich finde jede Möglichkeit der Geschichte “zu begegnen” sehr wichtig. Vieles kann nicht durch Erzählungen und Bücher wiedergegeben werden. Der Dachboden der Uroma verrät doch mehr als unzählige Geschichtsbücher. So, wie über jeden Menschen heute, denke ich mir dann meinen Teil über das, was früher war. Der Moment in dem jemand älteres über einen bestimmten Zeitpunkt in seinem Leben anfängt zu erzählen, ist nicht nur amüsanter, sondern auch viel lebendiger. Denkmäler erzählen auf eine andere Art. Sie lassen mich darüber nachdenken, was die Menschen dazu gebracht hat, so viel Mühe in eine Erinnerung zu stecken und wie wir heute darüber denken würden. Was die Menschen wohl später über das denken, was wir heute feiern und verachten?
Auch hier stoßen wir wieder auf das von uns so oft angesprochene Problem. Die Menschen trauen sich nicht mehr selbst nachzudenken. Sie trauen sich nicht mehr ihre eigene Meinung zu bilden. Anstatt sie darin zu fördern, die Welt um sie herum einzuordnen, zu interpretieren und eigene Schlüsse zu ziehen, gibt es viele Kräfte, die ihnen das Denken noch mehr abgewöhnen. Lasst uns nicht dafür Sorgen, dass die Menschen Bismarck einordnen können, sondern lasst sie davor schützen, dass sie nachdenken müssen.
Denkmäler abreißen und umgestalten macht unsere Geschichte nicht besser. Wenn die Denkmäler weg sind, ist unsere Geschichte immer noch dieselbe. Ich hoffe nicht, dass ihr dann vorhabt die Geschichte umzuschreiben. Wir müssen mit unserer Geschichte leben. Genauso, wie jeder einzelne von uns auf manche Teile um Leben stolz ist und es besser wäre, wenn man das ein oder andere nicht getan hätte. Fehler sind dazu da, daraus zu lernen. Wäre es nicht besser offen zu sagen, was während der Kolonialzeit passiert ist, zu erklären, wie die Menschen damals wahrscheinlich zu diesen Taten kamen, unsere Vorfahren zu kritisieren, daraus zu lernen, ihnen zu vergeben und alles zu tun, um solche Fehler nie wieder geschehen zu lassen? Die Denkmäler so zu lassen, wie sie sind, denn nur so sind sie authentischen Zeitzeugnisse?
Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN
Quellen:
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/ludwigsvorstadt-isarvorstadt-bismarck-und-die-e-gitarren-1.5315483
https://www.spiegel.de/kultur/bismarck-und-der-deutsche-kolonialismus-man-kann-geschichte-nicht-einfach-bereinigen-a-2be25103-48ac-450b-97f8-0ff39d18fb32
https://www.welt.de/regionales/hamburg/article231611513/Hamburger-Senat-Bismarck-Denkmal-soll-mit-Hilfe-aus-Afrika-kontextualisiert-werden.html